
Ein Mini-Livemitschnitt aus Brasilien
Es ist der ausgehende Februar 2013. In Iguacu (Brasilien-West) trifft sich eine Gruppe Menschen, die in den darauffolgenden Wochen umfangreiches Filmmaterial sammeln möchte. Das Thema: Soja. Das Unterthema: Bio-Soja + Gen-Soja. Das Thema hinter dem Thema: Sojaplantagen, Futtermittel, Massentierhaltung, Schlachthöfe, Indigene, Rodung, Landvertreibung, Großbauern, Kleinbauern, Häfen, Geld.
Erste Filmaufnahmen in Deutschland fanden 2012 statt. Im zweiten Schritt erfolgt eine weitere filmische Aufarbeitung des Themas direkt in Brasilien. Drehorte sind die Bundestaaten Parana und Mato Grosso do Sul.
Teilnehmer:
- Regisseur und Kameramann (Marco)
- Tonaufnahmespezialist (Alex)
- Fotograf, Fahrer und Übersetzer (Werner)
- Protagonist und Sojaverarbeiter (Wolfgang)
- Produzent und Produzentin
Werner
genannt der Deutsche (Alemao), unser Mann für Alles. Er fährt, übersetzt und fotografiert. Zusätzlich hat er die Reisekasse unter sich, d. h. man sollte sich gutstellen mit ihm. Schließlich wird er sagen, wo wir essen, wo wir wohnen, welche Bar wir nach getaner Arbeit aufsuchen können.
Werner ist gebürtiger Ravensburger und man hört das auch. Er lebt seit 1990 teilweise und ganz in Brasilien. Sein Lebensmittelpunkt: Rund um Sao Paulo. Er sagt von sich: „In Prinzip bin ich freier Fotograf und Journalist“. Fragt man ihn, was er besonders gut kann, kommt an erster Stelle: „Ich kann beobachten und ich kann inzwischen so gut Portugiesisch, dass meine in dieser Sprache verfassten Geschichten besser als die auf Deutsch geschriebenen sind.“
Werner liebt alte Autos und vor allem seinen Rural Willys, das erste in Brasilien gebaute geländegängige Fahrzeug. Erste Inspiration die zu seiner Brasilienliebe führte ging von einem Buch von Hans Staden aus. Der Titel: Die wahrhaftige Historia der Menschenfresserleute Da fuhr Werner 1990 gleich nach Brasilien und lernte seine brasilianische Frau kennen. Er fand einen Job bei einer portugiesischen Fluggesellschaft und kam fortan nicht mehr los. Wichtig sind ihm aber immer noch seine alten deutschen Freundschaften, die er intensiv pflegt. Im Gegensatz zu den brasilianischen sind diese weniger oberflächlich, so sagt er.
2007 wurde die Fluggesellschaft Warig aufgelöst und Werner war seinen Job los. Gleichzeitig wurde er krank (Hepatitis) und es gab keinen Plan B. Das bedeutete erstmal das Ende seines Traumberufes. Werner ließ sich nicht unterkriegen und heute arbeitet er als Reiseführer für Dumont. Man kann ihn als Guide für Sao Paulo engagieren.
Und wir haben das Glück, dass er unser Guide während der Dreharbeiten wird. Stundenlang hängt er am Telefon und schiebt Termine, ändert, ändert wieder, wartet, rast schnell zu einem Drehort, fotodokumentiert alles mit seinem Riesenteleskopfotoapparat, übersetzt live und unlive und führt uns abends zur Essensaufnahme in teils schöne und teils furchtbare Lokalitäten.
Marco
is(s)t vorwiegend vegan und ist Optimist. Er ist überzeugt, dass die Pflanzenanhängerbewegung unsere Zukunft stark beleben wird und wir einer spannenden Phase entgegengehen. Geboren wurde Marco im lieblichen Taubertal, welches er als tofureduziertes Gebiet bezeichnet – also konservativ. Die Gegend erlangte einst durch die Fechtmannschaft in Tauberbischofsheim große Berühmtheit. Marco ficht das aber nicht.
1977 erblickte er das Licht der Welt. Es war das Jahr als zeitgleich Star Wars entstand, was zu einer innigen Science-Fiction-Beziehung führte. Er war fasziniert durch Filme dieser Art (O-Ton: „Es ist schon richtig cool, wenn neue Welten gezeigt werden und das dann auch noch gut gemacht ist.“). So benutzte er schon in jungen Jahren widerstandslos die Avon-ET-Seife, welche von seiner Tante, einer engagierten Avonberaterin, kostengünstig zur Verfügung gestellt wurde. Lego fand Marco gut, Playmobil (man konnte groß nichts verändern) war langweilig. Später studierte Marco Sozialpädagogik in Stuttgart und arbeitete danach noch 2 Jahre in einem Bürgerhaus mit Jugendlichen. Danach hatte er die „Schnauze voll“ von der Gegend und der energieaufreibenden Arbeit. Er wollte etwas Neues und studierte daraufhin Medienpädagogik, was ihn nach Freiburg führte. Das Studium war „richtig gut“ und nebenbei konnte man sich gut mit Film beschäftigen.
So kam es, dass Marco bereits während des Studierens Filme machte. 2004 wurde der Tibetfilm: Die roten Drachen und das Dach der Welt gedreht. Alles heimlich und mit vielen anonym durchgeführten Interviews. Eine totale Independent-Production, wie er schmunzelnd sagt und No Budget. Das krasseste, was wir je gemacht haben fügt er hinzu. In seiner Erinnerung entsteht ein Bild: wir waren auf über 5000 m. Ich spürte meinen Herzschlag. Alle paar Meter blieb ich stehen. Ich kam mir so unglaublich alt vor. Es war höchste Anstrengung. Der Film lief sogar 2007 in den Kinos. 2005 entstand ein Afghanistanreport mit einem PH-Filmteam. Später der Film Kahlschlag, der zunächst noch Dependente hieß. Mit Kahlschlag ist er dann auch durchs Ländle gezogen, was ihn nach eigenen Angaben viel Energie gekostet hat.
Es lohnte sich dennoch, denn Kahlschlag war der Türöffner für weitere Projekte. „ Meine Filme sind persönlich inspiriert. Es sind Themen über Menschenrechte und Umwelt. Ich schaue was vermisst wird, wo die Nischen sind.“
Wenn Marco gefragt wird, was er besonders gut kann, dann sagt er:
- Zuhören. Ich nehme mir die Zeit dazu.
- Geduld. Ich habe Ausdauer, dringe gerne tiefer ein.
- Reflektion. Ich bin empfänglich für verschiedene Facetten.
Zudem liebt Marco Musik. Der Stil? Querbeet durch Rock, aber auch Hip Hop und Indie. Manchmal legt er selbst auf. Er ist gerne mal DJ. Dreht gerne an der Energie. Seine Lieblingsländer sind natürlich Brasilien, dann Nord-Indien und Uganda. Nach Tibet würde er sofort nochmal gehen. „Ich frage mich oft, wie die Tibeter mit Agression umgehen? Wie kann man ein Mitgefühl mit seinen Peinigern entwickeln?“
Er bezeichnet sich selbst als spirituell offenen Menschen, der sich am meisten zur buddhistischen Richtung hingezogen fühlt. Und sein Credo für unseren Dreh in Brasil? „Ökologie und Welternährung, das sind wichtige Themen. Schön wäre es, wenn wir einen Beitrag leisten können, diese Themen zu bereichern und zu vertiefen!“
Axel
Frägst Du Ihn nach seinem Namen dann gibt’s den mit entsprechendem Background. Er heißt Axel Lischke. Lischke kommt aus dem polnischen und tschechischen und heißt Fuchs. Er ist aber Fisch im Sternzeichen und zwar einer der in Halle an der Saale geboren wurde. Das war 1975. Und was zeichnet den Fisch aus? Axel sagt´s Dir. Der Fisch ist aufmerksam, er hat eine schnelle Auffassungsgabe und er kann schnell reagieren. Auf der positiven Seite ist er also alert und flink. Seine Schattenseite ist geprägt durch nervig-quirligen Dauerstress. Diese Grundenergien findet man laut Axel sowohl in Berlin und in Rio de Janeiro. „ Ich bin einfach ein lebendiger Mensch“, behauptet er und setzt noch „ein Fisch muss schwimmen“ hinzu.
Axels Eltern waren Pastoren und er wurde sozusagen lutherisch sozialisiert. Das beinhaltet für ihn drei Eigenschaften: humoristisch, reflektorisch, analytisch. Es wundert nicht, dass sich Axel gerne mit Autoritäten anlegte und sich für Schwächere einsetzte. Zumindest bei seinen Lehrer ist er des Öfteren mit seiner Meinung angeeckt. Axel wurde übrigens von seinem Vater getauft und ging mit seinem fünf Jahre jüngeren Bruder regelmäßig zum Gottesdienst. Das ging so bis er 14 Jahre alt war. Dann zog er zu seiner Großtante und erlebt dort den Mauerfall.
Sprachen mag Axel sehr gerne. Er lernte in der 5. Klasse russisch, in der 7. Klasse englisch und in der 10. Klasse französisch. Als Kind in der damaligen DDR beschränkten sich seine Reisen auf die Ostsee (4 Wochen FKK), auf die niedere Tatra in Tschechien und auf Polen. Er liest und rezitiert gerne und verschlingt Mark Twains Tom Sayer und Hucklyberry Finn ebenso wie Karl Mays Indianergeschichten.
Er hat Glück, macht sein Abi in Berlin, muss nicht zum Militär- oder Zivildienst und jobbt erstmal. Nebenbei bewirbt er sich als Praktikant beim Film. Das Interesse am Audio-Visuellen entsteht. Aber die Arbeit ist hart. 14 Stunden täglich am Set dämmen seine Lust. Er will vielleicht doch lieber Musik machen und Sänger werden! Dennoch klappt es 1995 mit einem Job beim ZDF als Aufnahmehelfer. Von dort aus wird er weiter ausgebildet. 1998 ist er dann Tontechniker und macht 1999 ein halbjähriges Praktikum in Brasilien. Voller Motivation lernt er brasilianisches Portugiesisch und hört Samba. 2001 arbeitet er bereits mit dem Goetheinstitut an dem Projekt: Die Kultur der Favellas. Und es geht weiter mit der Latin-Phase. Er lernt eine Brasilianerin aus Rio kennen, sie heiraten und heute lebt er mit ihr in Berlin.
Hier noch ein kleiner Auszug aus einer „Was ich mag – Scala“ wo insgesamt 10 Punkte pro Bereich verteilt werden durften und Axel wie folgt votete:
- Landschaften: Berge 3 Punkte. Wüsten 1 Punkt. Wälder 6 Punkte.
- Fortbewegung: Fahrradfahren 7 Punkte. Motorradfahren 3 Punkte. Skateboard 0 Punkte.
- Essen: Spiegeleier 3 Punkte. Raclette 2 Punkte. Tofu-Burger 5 Punkte.
- Tiere: Huftiere 3 Punkte. Fische 3 Punkte. Vögel 4 Punkte.
Wolfgang
Der volle Name ist Wolfgang Rainer Heck. Er ist Skorpion und auf Nachfrage kann er auch seinen Aszendenten nennen. Schütze. Geboren wurde er in der Kreisstadt Emmendingen in Südbaden. Sein Vater arbeitete als Maschinenschlosser, seine Mutter war Schneiderin mit holländisch-rheinländischen Wurzeln. Sein Vater hatte ein gewisses Faible für Kultur und liebte die klassische Musik (vornehmlich Opern) sowie die Malerei. Mütterlicherseits war man katholisch, väterlicherseits protestantisch, was hinsichtlich der kirchlichen Zugehörigkeit zunächst für Unklarheit sorgte. Die Mutter setzte sich letztendlich durch und Wolfgang sowie sein 1,5 Jahre älterer Bruder durchliefen die katholische Form der Religionserziehung, die mitunter durch des Stadtpfarrers Backpfeifen und etlicher Schuldzuweisungen zumindest bei Wolfgang nicht motivierend wirkte.
Wolfgang hatte schon früh den Drang lesen und schreiben zu können und konnte, bevor er zur Schule gehen durfte, bereits Sätze identifizieren. Er war lerneifrig und saugte die Infos auf. Stundenlang streckte er vergeblich im Unterricht, fing aber dann an sich zu langweilen. Plötzlich hieß es: Der stört. Also zog er sich tiefer in die Welt der Bücher zurück und verschlang die Märchen und Sagen, (Odysseus war sein Held), 1001 Nacht, Robin Hood, Prinz Eisenherz, Reiseberichte von Entdeckern und was ihm zwischen die Finger kam. Er liebte es mit seiner Mutter zu kochen und zu backen und nahm später als einer von zwei interessierten Jungs an den schulischen Kochkursen teil. Sein absolutes Lieblingsgericht war Mutters Maccaroniauflauf mit der Käsekruste. Früh faszinierte ihn der Tod. Neugierig versuchte er Opa beim Schlachten der Stallhasen zu beobachten. Durch seine nimmermüde Art zu Fragen, durfte er schließlich beim Auseinandernehmen des Hases dabei sein und lernte sogar die Messer zu schleifen.
Innerhalb der Familie wurde stets gearbeitet und man ging abends in den Garten, machte Obst und Gemüse ein, stellte selbst Apfelsaft und Most her, rupfte Gras für die Hasen und reparierte so gut wie alles selbst. Wolfgangs Mutter schneiderte unentwegt in der restlichen Zeit die noch verblieb und beide Buben hatten stets sauber geflickte Hosen an.
Der große Wirtschaftswundertraum, den damals soviele träumten wurde durch harte Arbeit umgesetzt. Natürlich gehörte auch das Bauen eines Eigenheims oder zumindest eine Vergrößerung des Bestehenden dazu. Mit 9 Jahren stand Wolfgang an der Betonmaschine, sein Bruder trug die Zementkübel und der Vater mauerte in jeder freien Minute. Das war eine harte Zeit erinnert er sich. Die Welt erschien ihm enger und kleiner als je zuvor. Faszinierend erschien ihm stets die Welt „draußen“, wo Studenten diskutierten, alles in Frage stellten, sich Rucksäcke auf den Rücken schnallten und per Anhalter die Länder durchreisten. Das Gefühl von Freiheit zu spüren – es sollte lebenslang sein Thema bleiben. Mit 15 Jahren wurde ihm ein Tumor am Darm entfernt und mit dem Gefühl sein Leben zum zweiten Mal geschenkt zu bekommen, nahm er innerlich Abschied aus einer von ihm als eng empfundenen Welt.
Viele Versuche einen neuen Platz, sprich seinen Platz zu finden sind seither gelaufen. Erst probierte er aus wie es ihm in der Welt der Wirtschaft gefallen könnte und absolvierte eine Banklehre. Es war aber nicht meins, erkennt er rückblickend. Er jobbte danach als Handwerkersgehilfe und fing an Gitarre zu spielen. Er trampte durch Europa und erlebte hautnah die damals noch bestehenden Diktaturen in Spanien, Griechenland, Jugoslawien und Albanien. Er beschloß eine weitere Ausbildung zu machen. Sehr attraktiv erschien zu der damaligen Zeit der sozialpädagische Bereich und für die nächsten 5 Jahre absovierte er eine Ausbildung in einem heilpädagischen Kinderheim. Er hatte eine tolle Zeit mit den Kindern, spürte aber auch, dass das noch nicht das Entgültige ist. Noch mehr über die Welt und sich zu erfahren war ihm wichtig.
Los geht's!
Alle Teilnehmer treffen sich am 28. Februar in der Nähe des gigantischen Iguacu-Wasserfalls. Anschließend setzen sich Produzent und Produzentin (das Ehepaar Erbacher) für die nächsten 2 Wochen nach Argentinien ab. Sie haben die geplante Kameratour schon innerhalb eines ersten Probelaufes auf deren Machbarkeit unterzogen und können loslassen. Das verbleibende 4-Mann-FilmTeam bricht am darauffolgenden Tag mit Tontechnik und Kamera zu einer Expedition in die Welt der brasilianischen Sojabohnen auf.