
In Ihrem Film reisen Sie mit dem Freiburger Bio-Tofuhersteller Wolfgang Heck nach Brasilien, dem größten Sojahersteller der Welt, weil Heck von dort eine mit Pestiziden kontaminierte Charge erhalten hatte. 34 Millionen Tonnen Soja importiert die EU jährlich. Sie haben vor Ort tödliche Konsequenzen dieses Agrarbooms erfahren.
Die Summe ist tatsächlich gewaltig. Insbesondere wenn man bedenkt, dass das meiste zu Tierfutter weiterverarbeitet wird. Durch unsere Nachfrage nach Fleischprodukten verschärfen sich die Landkonflikte mit den Ureinwohnern, die immer häufiger tödlich enden. Auftragskiller kümmern sich im brasilianischen Hinterland um jeden, der stört. Während unserer Dreharbeiten erschoss ein Farmer einen 15-jährigen Jungen vom Volk der Guaraní-Kaiowá. Solche Gewaltverbrechen sind im globalen Agrarbusiness kein Einzelfall. Wir müssen uns immer mehr fragen, wie viel Mitschuld wir daran tragen.
Wie kam es zu diesem Siegeszug der Sojabohne für die Fleischproduktion?
Nach der BSE-Krise und dem Verbot von Tiermehl benötigte die Tierfutterindustrie eine Alternative. Durch ihren hohen Eiweißgehalt war die Sojabohne der perfekte Ersatz. Die Entwicklung der transgenen Sojabohne kam da sehr gelegen, weil mit weniger Aufwand mehr Ertrag erwirtschaftet werden kann und Konzerne wie Syngenta mit ihren Patenten hervorragend verdienen.
Welches sind die schwerwiegendsten Folgen des stetig wachsenden Sojaanbaus?
Die Umwelt leidet massiv unter der Ausweitung der Sojafelder. Beim Überflug über Matu Gros- so del Sul sah ich, soweit das Auge reicht, nur Monokulturen oder nackte Erde. Die Konsequenzen sind: Regenwaldabholzung, Monokulturen, Bodenerosionen, Agrarwüsten. Dazu kommen Pflanzengifte, die über tierische Lebensmittel in unsere Nahrungskette gelangen. Ureinwohner erzählen von Hautausschlägen durch Pestizide und vom fischarmen Flusswasser.
Was ist das Hauptziel der Ureinwohner? Entschädigung? Rechtssicherheit? Oder Rückkehr zur Lebensweise ihrer Ahnen?
Die alte Sammler-und-Jäger-Kultur wird es nicht mehr geben. Das Hauptziel der Indigenen ist Gerechtigkeit. Sie leiden unter einem immer weiter voranschreitenden Raubbau und dem Verlust ihrer Identität. Sie verstehen sich als unmittelbarer Teil des Ganzen, ohne das sie nicht existieren können. Doch selbst wenn sie Erfolge in den Landkonflikten erzielen, kehren sie in eine zerstörte Umwelt zurück. Aus purer Verzweiflung ziehen viele Ureinwohner die städtischen Slums dem harten Leben in den Agrarwüsten vor.
Während es für Holz Zertifikate gibt, an die sich sogar die Baumärkte anhängen, gibt es für gemästete Tiere keinen Verbraucherhinweis. Könnte das helfen?
Die Kennzeichnungspflicht stellt ein großes Problem dar. Ob Ihr Steak, der Joghurt oder das Omelett, welches Sie gerade essen, mit transgenem Soja und Pestiziden in Berührung kam, lässt sich kaum nachvollziehen. Nur Veganer und Biokonsumenten sind auf der sicheren Seite.
Oder ist bei einem Anteil des Gensojas von 97 Prozent der Rest sowieso schon Bio?
Keineswegs. Neben dem transgenen Soja gibt es ja noch das konventionelle Soja, das mit Pestiziden behandelt wird. Der Anteil des Biosojas ist also deutlich geringer und wird natürlich auch entsprechend gekennzeichnet.
Wolfgang Heck trifft im Film auch „böse“ Gensoja-Tycoone. Es kommt nicht zu einer Diskussion, stattdessen wird deren Reichtum kommentiert. Ist das bei allem Respekt nicht etwas viel inszenierter Edelmut?
Wolfgang Hecks Arbeit ist für mich nur logisch und konsequent. Vor über 25 Jahren hat er erkannt, welches Potenzial in Tofu steckt. Menschen wie er gehören zu den wahren Biopionieren. Dahinter steckt eine Berufung. Insofern war Heck für mich vor allem authentisch. Was die Sojabohne für die Welternährung bedeuten könnte, durchschauen ja nur die wenigsten. Für ein Kilogramm Fleisch werden 16 Kilogramm pflanzliche Proteine verfüttert, die man auch direkt als Lebensmittel nutzen könnte – oder für rund 30 Kilogramm Tofu. Für mich steckt darin der eigentliche Wert des Sojas.
*Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Artikel "Zerstörerisches Viehfutter" aus der Zeitung "Der Sonntag". Das Gespräch führte René Zipperlen.